Medikamentöse Therapie
Bei chronischen Schmerzen ist es meist unumgänglich, ohne medikamentöse Therapie auszukommen. Wichtig ist es jedoch, das richtige Medikament einzunehmen. Das folgende Kapitel bietet Ihnen einen Übersicht über das Portfolio der eingesetzten Medikamente.
Gleich vorab muss betont werden, dass der Einsatz von Medikamenten immer individuell, also maßgeschneidert auf den Patienten und sein Schmerzbild erfolgt, so dass es kein Universalrezept für alle Menschen gibt. Ein Vergleichen unter den Patienten ist insofern wenig ratsam. Die Entscheidung, welches Mittel oder welche Kombination von Medikamenten verabreicht werden, richtet sich nach:
- Schmerzbild
- Schmerzstärke
- Verträglichkeit von Medikamenten
- Nebenerkrankungen
- Patiententyp
- Begleitenden Leiden (Schlafstörung,Verstopfung, Nervosität,....)
Grundsätzlich tastet man sich vorsichtig und stufenweise mit der Medikation heran, bis eine Beschwerdelinderung eintritt. Das Medikament und die Art der Anwendung (schnell wirksam, langsam wirkend, Tablette-, Pflaster-, Zäpfchen-, Tropfenform, ...) wird in der Regel so gewählt, dass eine längerfristige Einnahme ohne nennenswerte Nebenwirkungen möglich ist. Auch werden häufig Kombinationen aus Medikamenten angewendet, welche unterschiedliche Wirkansätze haben. Hier erreicht man häufig einen synergistischen Effekt (verbesserte Schmerzwirksamkeit) bei gleichzeitig niedrig gehalteten Nebenwirkungen der Einzelpräparate.
NSAR- nicht-steroidale Antirheumatika
Hierzu zählen Medikamente wie Ibuprofen, Acetylsalicylsäure oder Diclofenac. Sie sind bei leichten und mittelstarken Schmerzen und vor allem bei Schmerzen, welche aufgrund von Reizzuständen entstehen (zum Beispiel Arthrose) gut wirksam. Sie sind mit Abstand die am häufigsten verwendeten Medikamente in den niedergelassenen Praxen und bei leichten bis mittelstarken nozozeptiven Schmerzen gut wirksam. Durch ihr Nebenwirkungsprofil (Magen-/ Nierenprobleme) sind sie aber für eine dauerhafte Einnahme nicht geeignet. Sie werden daher kurzfristig zur Schmerzlinderung eingesetzt. In manchen Fällen ist eine Kombination mit einem sog. Magenschutzmittel ratsam. Bei Patienten mit Magen-Darm-Problemen sowie Nierenleiden sollten diese eher restriktiv und nur kurzfristig eingesetzt werden. Bei manchen Schmerzarten sind diese Schmerzmittel auch nicht wirksam (Nervenschmerz).
Opioide
Hierzu zählen Medikamente wie Morphin, Hydromorphon, Oxycodon, Buprenorphin oder Fentanyl. Sie werden bei mittelstarken und starken Schmerzen eingesetzt. Unter kontrollierter Einnahme können diese Medikamente auch langfristig eingenommen werden. Ihr Vorteil ist, dass sie keine Schäden an Magenschleimhaut oder den Nieren verursachen. Die Dosisanpassung muss aber langsam erfolgen, damit sie keinen Schwindel, Müdigkeit oder Übelkeit verursachen. In der Regel sind die meisten Nebenwirkungen nur mild und kurz vorhanden. Aktiv behandelt sollte eine manchmal auftretende Verstopfung werden. Eine dauerhafte Einnahme ist bei richtiger Indikationsstellung durchaus möglich. Nachkontrollen sind wichtig, vor allem in der Zeit der Dosiseinstellung, -Änderung oder steigendem Bedarf. Regelmäßige Überprüfung der Wirksamkeit des Medikaments sind ratsam. Auch kann nach einiger Zeit, vor allem bei nicht Tumor-bedingten Schmerzen, ein Ausschleichversuch unternommen werden. Bei regelrechter Anwendung (im schmerztherapeutischen Setting) breucht der Patient eine Suchtentwicklung nicht zu fürchten. Hiervon abzugrenzen ist aber die Toleranzentwicklung- das heißt eine gewisse Gewöhnung des Körpers an die Substanz. Auch hier steht die adäquate Patientenführung im Vordergrund, also Erkennen und Beurteilen, ob einen Dosiserhöhung, eine Änderung des Präparats oder ein Ausschleichversuch unternommen werden sollten. Patienten stellen häufig die Frage nach Konzentrationsstörung sowie Fahrtauglichkeit unter Opioiden. Grundsätzlich ist am Anfang der Einstellung auf Opioide und in Zeiten von Änderungen der Dosierung mit einer Konzentrationiseinbuße zu rechnen, allerdings ist bei regelrechter Indikation und Einnahme dieser Medikamente im weiteren Verlauf nicht mit einer Einschränkung der Fahrtauglichkeit zu rechnen. Patienten, welche dauerhaft mit dieser Substanzklasse behandelt werden und ein PKW fahren, können über den TÜV eine freiwillige Überprüfung der Fahrtauglichkeit durchführen.
Lokal applizierte Medikamente
Dies sind Salben, Gels und Pflastersysteme, welche lokal an der Stelle der stärksten Schmerzen angewendet werden. Je nach Schmerzart können diese durchaus helfen, bei Ihnen andere Medikamente einzusparen und Nebenwirkungen von Tablettenformen zu minimieren. Topische Applikationen sind zwar in der Regel aufgrund der geringeren Gewebeeindringtiefe weniger Wirksam als systemisch angewendete Medikamente, haben aber auch weniger Nebenwirkungen.
Sogenannte Ko-Analgetika
Hierzu zählen Medikamente, welche ursprünglich nicht zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt wurden. Im Rahmen von gewissen Schmerzbildern zeigen sie aber eine gute Wirksamkeit und haben sich seit Jahren bewährt. So sind Medikamente, welche ursprünglich in der Epilepsiebehandlung angewendet werden auch bei einschießenden Nervenschmerzen gut wirksam. Bei langdauernden Nervenschmerzen sind auch Medikamente, welche ursprünglich aus der Depressionsbehandlung kommen, gut wirksam. Wichtig ist zu wissen, dass diese Medikamente wegen der Schmerzart und nicht wegen der Depression oder gar weil Ihnen der Arzt den Schmerz nicht glaubt verordnet werden. Es werden auch meist wesentlich geringere Dosierungen als in der Psychiatrie angewendet. Während die sog. Antikonvulsiva (Epilepsiemittel) in der Regel aufdosiert werden müssen, um einen konstanten Wirkspiegel zu erreichen, reichen bei sog. Antidepressiva meist geringere Dosierungen. Die Auswahl des Medikaments richtet sich nach der Schmerzart und Begleiterkrankungen oder -Symptomen. So werden müdemachende Substanzen gerne Abends angewendet, wenn der Patient zusätzlich über Schlafstörungen klagt.
Sogenannte Adjuvanzien
Hierzu gehören Medikamente, welche Teilaspekte des Schmerzbildes bekämpfen, oder welche die Nebenwirkungen anderer Medikamente dämpfen. Dies sind zum Beispiel Muskel-entspannende Mittel (sog. Muskelrelaxanzien) oder Medikamente gegen die Verstopfung, Übelkeit, Schlafstörung usw...
Medikamentenplan
Im Rahmen der Schmerztherapie wird die Medikation voraussichtlich geändert. In manchen Fällen sogar mehrmals. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Sämtliche Änderungen werden mit Ihnen besprochen. Die Aufstellung eines übersichtlichen Einnahmeplanes für Medikamente soll dem Patienten mehr Überblick und Sicherheit verschaffen.
Sogennanter "off-label"-Gebrauch von Medikamenten
Viele in der Schmerztherapie angewendete Medikamente sind nur für manche Schmerzarten oder nur in manchen Ländern zugelassen. Der Grund liegt in der strengen Beurteilung der Medikamente durch die Zulassungsbehörden. Diese wiederum richtet sich nach der Studienlage. Hierzu muss man wissen, dass in den Studien alle Patienten "in einen Topf" geworfen werden, um dann den Nutzen oder Risiko von Maßnahmen oder Medikamenten zu bewerten. Dies ist wissenschaftlich sinnvoll. In der Schmerzmedizin muss jeder Patient aber individuell beurteilt und das Therapieschema auf ihn maßgeschneidert werden. Es gibt keine zwei gleichen Patienten mit Bandscheibenleiden. Somit sind auch viele Studien, welche alle "Bandscheibenpatienten" in einen Topf werfen nur bedingt aussagekräftig. Auch muss festgehalten werden, dass die meisten Patienten, welche einen Schmerztherapeuten konsultieren, schon viele "empfohlene" Behandlungsmaßnahmen, welche nicht die erwünschte Wirkung hatten hinter sich haben. Als Beispiel wäre die Anwendung von Kortison bei Injektionsverfahren zu nennen. Obwohl dessen Injektion in Gelenke zugelassen ist, ist in Deutschland die spinale Applikation, also Injektion an die Nervenwurzeln oder den Epiduralraum nicht zugelassen. Dennoch hat sich die Substanz wegen seines abschwellenden und entzündungshemmenden Effekts durchaus bewährt und wird bei manchen Patienten angewendet (auch im Bereich Interventionelle Verfahren zu lesen). Die Entscheidung und Nutzen-Risiko-Abwägung von Medikamenten sollte in einem partnerschaftlichen Gespräch zwischen dem Patienten und seinem Arzt gemeinsam besprochen und getroffen werden.